Beten und Bierzelt. Das scheint auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen. Besinnlich geht es in einem der großen Festzelte normalerweise nicht zu. Man könnte sogar sagen, dass der ein oder andere das Bierzelt als religionsfreien Raum sieht, in dem für einige Stunden die Realität und damit auch alle Moral- und Verhaltensregeln an die Seite treten. Singende und grölende Massen sowie Maßkrüge so weit das Auge reicht versprühen nur bedingt ein gottesfürchtiges Ambiente.
Gesungen wird heute im Marstall auch. Allerdings müssen die Dauerbrenner Andreas Gabalier und DJ Ötzi heute einem anderen Dirigenten weichen. Im Festzelt findet der alljährliche traditionelle Oktoberfest- und Gedenkgottesdienst statt. Damit das fahrende Volk, die Schausteller, nicht ohne Gottesbeistand durch die Lande ziehen müssen, wird bereits seit 1956 einmal während der Wiesn gebetet. Die Schaustellerseelsorger der beiden großen christlichen Konfessionen, katholisch und evangelisch, feiern mit den Schaustellern und Marktkaufleuten auf der Wiesn und weiteren Schaustellerpfarrern auf Deutschland und dem benachbarten Ausland einen Gottesdienst. Zum einen soll der bereits verstorbenen Verwandten, Freunden und Kollegen gedacht werden, zum anderen steht aber auch der anstrengende Schausteller-Alltag im Fokus. Beim Oktoberfest-Gedenkgottesdienst wird zudem auch das Sakrament der Taufe und der Firmung vollzogen.
Zum traditionellen Oktoberfestgottesdienst im Marstall sind natürlich alle Schausteller und fleißigen Wiesn-Arbeiter eingeladen. Alle Münchner Bürgerinnen und Bürger und die Gäste der Stadt sind aber ebenso gern gesehen.
Es zeigt sich also: Bierzelte sind nicht ausschließlich zum Feiern da. Sie eignen sich ebenso Menschen zusammenzubringen, die einige ruhige Momente genießen und ihrem Glauben folgen wollen. Gebetet wird für eine friedliche und sichere Wiesn für alle Beteiligten. Dieser Wunsch ist universal, egal welcher Konfession man angehört.