Blumenkränze im Haar sind eigentlich etwas schönes. Sie stehen jedem und verleihen ihrer Trägerin eine märchenhafte Eleganz. Doch wer sich den floralen Schmuck zur Tracht auf die Flechtfrisur packt, hat etwas grundlegend missverstanden. Und das vor allem am Konzept „Oktoberfest“.
In modischer Hinsicht musste das Oktoberfest schon einiges mitmachen. Glitzer-Dirndl, Schürzen mit aufgenähten Swarovski-Kristallen, Exemplare aus Polyester mit ausladenden Tüll-Unterröcken oder auch die allseits beliebten Plastik-Lederhosen, die vor allem bei den Gästen aus dem Ausland Gefallen finden. Von Hüten mit Fasanenfedern, über den Landhaustrend mit Leinen-Dirndl bis hin zum unaufhaltbaren Hendl-Hut. Die Wiesn scheint vielen ein geeigneter Ort zu sein, um sich und seinen Stil neu zu erfinden. Ein bisschen wie Karneval, aber mit Tracht und vernünftigem Bier.
Nun möchte man meinen, dass das Problem ja ausschließlich die Gäste aus aller Welt sein, die es ja nicht besser wissen können und deren modische Eskapaden daher mit einem verständnisvollen Lächeln akzeptiert werden müssen. Tatsächlich beteiligen sich aber auch Einheimische, sogar waschechte Münchner, am Faschings-Gehabe auf dem Oktoberfest.
Neuester Trend: Haarkränze mit Blumen aus Stoff, Plastik oder Papier, in einigen seltenen Fällen sogar mit echten Blüten und Blättern. Wie ein visueller Gassenhauer anstatt im Ohr im Auge, dem man am liebsten einfach nur loswerden möchte, leuchten die Blumenbalken von jedem zweiten weiblichen Kopf auf der Theresienwiese. Auch vor den Promizelten macht dieser Trend nicht Halt. Nirgendwo ist die Plastikblumendichte so hoch, wie in „Käfer’s Wiesnschänke“ oder im „Marstall“. Da stellt sich die Frage: Muss das sein?
Das soll man jetzt bitte nicht falsch verstehen: Blumenkränze im Haar haben ihre Daseinsberechtigung, diese liegt nun mal aber nicht auf der Wiesn. Eine tolle Wirkung entfalten sie beispielsweise bei Hochzeiten um der Braut den Bohemian-Vibe zu verleihen. Auch auf dem kalifornischen Coachella-Festival passen sie wunderbar zu Fußkettchen, Häkelshirts und Fransenboots und verwandeln jede Frau in nullkommanix in ein anmutiges Blumenmädchen. Passt zum Hippie-Ambiente der Veranstaltung, im Bierzelt hat der Haarschmuck trotzdem nichts zu suchen.
Anstatt lässigem Landflair erzeugt der Geranientopf auf dem Kopf eher Assoziationen von vergessenen Instagram-Filtern. Wir erinnern uns: Genauso wie der Hunde-Filter hatte auch der Blumenkranz ein eindeutiges Ablaufdatum. Dieses ist mittlerweile um ein Vielfaches überschritten und der Blumenkranz im realen Leben lässt die Social-Media-Phantasien auch nicht wieder auferstehen. Daher bleibt nur zu hoffen, dass Blumen-Theater auf dem Oktoberfest bald sein sang und klangloses Ende findet und die Tracht wieder zu dem wird, was sie seit Jahrhunderten ist: blumenlos. Und wenn es unbedingt Blumen sein müssen, dann bitte ein kleines Sträußchen im Brustausschnitt, wie es für die oberbayerische Gebirgstracht in Miesbach oder am Tegernsee üblich ist.
Man kann davon ausgehen, dass auch die Blumenkränze eine weitere Eintagsfliege auf dem Oktoberfest sind. Bleibt nur abzuwarten und vielleicht auch zu bangen, auf welche Ideen die Dirndl-Trägerinnen nächstes Jahr kommen. Wie wär’s mit Indianderschmuck oder einem Diadem? Letzteres hatte Modedesignerin Kinga Mathe bereits dieses Jahr beim „Almauftrieb“ im Haar. Ein schlechtes Omen?